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Archiv für den Monat Juli 2011

Lernresistenz beim Wikimedia-Vorstand

Ich hätte nie gedacht, das einmal zu schreiben: Ich bin mit dem Verhalten des Vorstandes von Wikimedia Deutschland nicht mehr einverstanden.

Während ich bei aller (meist sehr heftigen) Kritik in der Vergangenheit ihn noch verteidigt habe, und mehr Sachlichkeit, Grundvertrauen und Verständnis angemahnt habe, muss ich meine Einstellung inzwischen revidieren. Offenbar war ich wohl zu naiv und habe den ständigen Beteuerungen, dass man sich um eine verbesserte Kommunikation bemühe, zuviel Glauben geschenkt. Tatsächlich erweist sich der Vorstand als Gremium insgesamt als erstaunlich lernresistent. Ich weiß nicht ob es Unfähigkeit, Absicht oder schlichte Ignoranz ist. Ersteres würde mich noch mehr erschrecken, zweites mag ich einfach nicht glauben, also tendiere ich zu drittem.

Als im Herbst letzten Jahres eine gGmbH als Tochtergesellschaft gegründet wurde, und irgendwie „vergessen“ wurde, dies auch zu kommunizieren, wurde ein Kommunikationsproblem eingeräumt und Besserung gelobt. Da meiner Meinung nach der inhaltliche Fakt – die gGmbG-Gründung – absolut in Ordnung und sinnvoll war, fand ich das nicht allzu tragisch. Dennoch reichte es aus, dass 10% der Vereinsmitglieder eine außerordentliche Mitgliederversammlung für Januar einberiefen. Dort wurde in flammenden Reden, vor allem vom Vereinsvorsitzenden, nochmals ein Kommunikationsdefizit eingestanden und Besserung gelobt. Es folgten hitzige aber konstruktive Debatten, man nahm die Versprechen an und bestätigte den Vorstand beim Misstrauensvotum recht komfortabel. Ich war damit zufrieden, auch ich habe für die Bestätigung gestimmt.

Als im März dann die reguläre Mitgliederversammlung samt Vorstandswahlen anstand, wurden die erneut angetretenen Vorstandsmitglieder ausnahmslos wiedergewählt. Auch hier gab ich diesen meine Stimme, nach der Vorstellung der Pläne für das kommende Jahr war ich überzeugt, dass die Mitglieder in die richtige Richtung gehen. Es wurde erneut gelobt, für eine deutlich verbesserte Kommunikation mit den Mitgliedern zu sorgen. Ein neuer Schriftführer, der beruflich im Pressebereich tätig ist, machte mir Hoffnung auf mehr Transparenz und mehr Informationen aus dem Vorstand.

Das erste Mal enttäuscht wurde ich bereits kurz danach. Eines der Hauptprojekte des Vereins in diesem Jahr ist die Aktion „Wikipedia muss Weltkulturerbe werden“. Nur leider wurde dies auf der MV bei allen vorgestellten Planungen mit keiner Silbe erwähnt. Ich war entsprechend angesäuert ob dieses Affronts gegen die Vereinsmitglieder. Man besaß tatsächlich sogar die Chuzpe, das Vorhaben am Tag nach der MV im kleineren Kreis vorzustellen. Nun kritisiere ich auch hier wieder nicht den Inhalt der Aktion (gleichwohl ich da anderer Meinung bin), sondern die Art und Weise der Nichtkommunikation. Das größte Vorhaben des Vereins nicht bei den Planungen auf der MV vorzustellen empfinde ich schon als gehörig dreist. Aber auch das nahm ich noch einigermaßen gelassen hin und beließ es bei einem Blogpost.

Leider hat sich allerdings auch sonst praktisch nichts an der Kommunikation zwischen Vorstand und Verein gebessert. Die Informationen über die Vorstandssitzungen verdienen diesen Namen nicht. So ist der letzte Eintrag von Anfang Mai, und auf mehr als der Hälfte aller Vorstandssitzungen wurde offenbar nur die Aufnahme neuer Mitglieder beschlossen. Irgendwie mag ich nicht glauben, dass dies das einzige Ergebnis der jeweiligen Sitzungen sein sollte. Falls doch, machte es die Angelegenheit auch nicht besser.

Dass ich erst von dieser Seite erfahren muss, dass es wohl einen Antrag auf Anfechtung der Satzungsänderung gab, verwundert mich dann kaum noch. Auch hierzu: Null Information an die Mitglieder. Wenn ich nach Erhalt des MV-Protokolls nichts weiter höre, gehe ich eigentlich davon aus, dass es keinen Einspruch dagegen gab und es daher ohne Gegenstimme gültig wurde. Auch darauf kann ich mich nun nicht mehr verlassen.

Der aktuelle Höhepunkt der Misskommunikation ist es jedoch, dass es (vermutete) Probleme mit einem von den Mitgliedern per MV-Beschluss eingesetzten Ausschuss gab. Hier wurden die Probleme nicht nur gegenüber den Vereinsmitgliedern und der Community totgeschwiegen, nein, als Krönung des Ganzen wurden noch nicht einmal die betreffenden Ausschussmitglieder kontaktiert. Ergebnis ist eine desaströse Diskussion um ein sehr sinnvolles Projekt, der Rücktritt eines Ausschussmitglieds, und ein generelles Mißtrauen wohl aller Ausschussmitglieder gegenüber dem Vorstand. Statt Kommunikation erfolgten Vertrauensbruch und bisher haltlose Vorwürfe.
Dabei wurden fraglos das Ansehen des Vereins sowie auch teilweise der Wikipedia beschädigt.

Nun ist mir natürlich klar, dass der Vorstand keine homogene Masse ist sondern aus 10 Mitgliedern mit teilweise recht differierenden Ansichten besteht. Doch wie sind diese unterschiedlichen Ansichten, wo kann man diese erfahren? Solange die Vorstandsmitglieder sich in Schweigen hüllen, kann ich da auch nichts differenziert betrachten. Kommen nur (sehr wenige und teilweise recht nebulöse) Vorstandsstatements, kann ich auch nur den Vorstand insgesamt als solchen beurteilen. Und dieses Urteil ist momentan für mich selbst sehr enttäuschend.

Einen positiven Ausreißer möchte ich allerdings nicht verschweigen: Achim kommuniziert als bisher einziger auch ab und an seine persönliche Meinung. Ansonsten herrscht Schweigen im Walde. Der Schriftführer schreibt nicht (zumindest nichts öffentlich), und auch vom anderen Mitglied im Ressort „Vereinskommunikation“ habe ich seit der Wahl nichts mehr diesbezüglich vernommen.

Da ich im Sinne einer konstruktiven Kritik nicht nur die Probleme benennen, sonder auch Lösungsmöglichkeiten aufzeigen will, folgendes an alle Vorstandsmitglieder: Hört auf, Euch abzuschotten, kommuniziert! Berichtet aus den Vorstandssitzungen! Berichtet aus den einzelnen Ressorts! Der monatliche Bericht aus der Geschäftsstelle macht es vor. Es muss auch nicht gleich monatliche Berichte geben, aber fangt endlich an, etwas über Eure Arbeit mitzuteilen! Ansonsten gibt es auf der nächsten MV wieder die Frage, was Ihr eigentlich so im Einzelnen überhaupt gemacht habt.
Wenn Ihr Probleme seht, teilt diese mit. Es gibt dafür extra einen internen Mitglieder-Bereich im Forum, wo Ihr unter Ausschluss der Öffentlichkeit diese ansprechen könnt. Die Vereinsmitglieder sind nicht so unmündig, wie Ihr scheinbar glaubt. Man kann diesen auch mal die Konfliktpotentiale, die Ihr seht, zumuten.

 
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Verfasst von - 2011/07/16 in Wikimedia

 

Verjüngung durch Einstellung – zum Ende von „neues“

Gestern lief eine Sendung mit treuer Fangemeinde zum letzten Mal im Fernsehen. Wenn man die Medienmeldungen heute so überblickt, müsste es sich dabei um „Anne Will“ handeln:

Doch Anne Will ging nur in die übliche Sommerpause und bekommt danach einen neuen Sendeplatz. Manches liest sich allerdings wie ein Abgesang auf eine eingestellte Sendung.

Tatsächlich zum letzten Mal wurde gestern allerdings die Sendung „neues“ ausgestrahlt. Nach 20 Jahren ist nun Schluss, ein Abschied, der sogar eine eigene Facebook-Gruppe mit über 1.000 Fans entstehen lies.

Produziert und verantwortet wurde die Sendung vom ZDF. Vermutlich soll mit der Einstellung der Sendung mit eher jüngerem Publikum ein weiterer Schritt in Richtung Verjüngung gegangen werden: „Neuer ZDF-Intendant Bellut will Publikum drastisch verjüngen“ (Spiegel Online). Mehr als Sarkasmus fällt mir leider nicht dazu ein. Interessant auch das Medienecho: Während auf die Sommerpause von Anne Will zig Meldungen zu finden sind, ergibt eine Suche bei Google News nach der Einstellung von „neues“ dann tatsächlich auch eine aktuelle Meldung. Respekt!

Die Einstellung konterkariert die Verjüngungsstrategie, welche allgemein im öffentlich-rechtlichen Rundfunk postuliert wird. So wurde kürzlich das „c’t Magazin“ ohne Vorwarnung zum großen Manitu befördert – hier ist es zumindest inhaltlich nicht sonderlich schade drum – und auch „Abenteuer Wissen“ wurde Anfang Mai eingestellt. Dies waren alles Sendungen mit einer Zielgruppe deutlich unter dem üblichen Altersdurchschnitt der Zuschauer. Zumindest „neues“ und „Abenteuer Wissen“ waren dabei auch von hochwertigen Inhalten geprägt – sie boten Informationen und Bildung auf eine unterhaltsame Weise. Die Sendung „neues“ erhielt 2008 gar den Deutschen Fernsehpreis. Zuletzt wurden die Sendungen immer seltener, vermehrt verhinderten Thementage auf 3sat eine Ausstrahlung.

Statt solche Sendungen nun auszubauen und auf attraktive Sendeplätze zu bringen, werden sie eingestellt und statt dessen dubiose Nachfolgesendungen angeboten, welche sich kaum beachtet auf Spartenkanälen wie ZDFKultur finden lassen. So wird man eine Verjüngung des Publikums wohl kaum erreichen: Sahen sich interessierte Zuschauer noch regelmäßig diese Wissenssendungen und Sendungen zu Netzthemen an, werden sie wohl nun endgültig in selbiges abwandern – schade TV, Chance vertan!

 
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Verfasst von - 2011/07/11 in Medien

 

Traktorsonntag

Mir war heute irgendwie nach Real Life, aber auf das Menschengedränge beim Thüringentag in Gotha hatte ich keine Lust. Also habe ich mir gedacht, ich schreibe noch einen nachträglichen Geburtstagspost für Iberty und fahre nach Hohenfelden zum Traktoren- und Oldtimertag.

Lanz Bulldog

Trecker-Enthusiast

Ich hatte sowieso schon länger mal vor, mir das Thüringer Freilichtmuseum Hohenfelden anzusehen. Also die günstige Gelegenheit genutzt und hin.

Vor Ort fand ich 2 Reihen ordentlich betagte Traktoren, und eine Reihe mehr oder weniger sonstige „Oldtimer“. Einige von denen waren allerdings jüngeren Baujahrs als ich und damit wohl eher nicht für diese Kategorie geeignet.

rustikales Armaturenbrett, Hauptsache ein Zigarettenanzünder ist vorhanden

Die Traktoren waren recht sehenswert und wurden auch entsprechend bestaunt. Leider standen selbige die ganze Zeit nur rum, was das Event etwas unspektakulär gestaltete. Das Publikum bestand überwiegend aus gelangweilten Kindern mit Trecker-verliebten Vätern oder Großvätern, welche meist recht kräftig gebaut waren und selbst unter Gewaltandrohung nicht dazu zu bewegen waren, sich mit ihrer Bratwurst einmal für 2 Sekunden aus dem Fotomotiv zu bewegen. Insgesamt war mehr oder weniger Dorffest-Atmosphäre.

Da kratzt sich selbst Bernhard Iner am Kopf...

Nachdem die reiferen Maschinchen recht bald fertig bestaunt waren, habe ich mir mal das Freiluftmuseum an sich angesehen. Ich bin recht froh, die Besichtigung mit der Trecker-Schau verbunden zu haben. Allein trägt das „Museum“ meiner Meinung nach nicht. Ein paar alte Häuser, teilweise merkwürdig neu restauriert, mit ein paar alten Gegenständen darin. Wer schon einmal auf einem Dachboden war, sieht dort leider auch nichts Neues. Meine Großeltern haben vermutlich noch mehr und auch ältere landwirtschaftliche Geräte in der Scheune stehen, als dort zu sehen waren. Fairerweise muss ich zugestehen, dass reine Stadtkinder ohne jeden dörflichen Background evtl. etwas Neues gesehen haben könnten.

Positiv zu vermerken ist noch die herrliche Landschaft, in die Hohenfelden samt Stausee eingebettet ist. Vermutlich lohnt sich ein Besuch des Geländes dort mehr, wenn man einen Waldspaziergang anschliesst. Heute habe ich die Gelegenheit genutzt, noch ein Pärchen beim Sex zu beobachten.

Insektensex

 
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Verfasst von - 2011/07/10 in Knipserei

 

KI.KA Teil IV

Irgendwie gehen mir die Überschriften aus, daher ab jetzt einfach durchnummeriert und nun auch mit eigener Kategorie.

Wie gestern (zwei Tage nach dem Urteil gegen den ehemaligen Herstellungsleiter) erst öffentlich bekannt wurde, fanden bereits am 21. Juni erneut Durchsuchungen von Büroräumen des KI.KA statt. Das wäre dann nach den Durchsuchungen vom letzten Dezember und den bundesweiten Durchsuchungen von Unternehmens- und Privaträumen im April bereits mindestens die dritte derartige Aktion.

Anlass für die neuerlichen Untersuchungen sind laut Thüringer Allgemeine »neue Verdachtsmomente gegen den Herstellungsleiter K. und den freien Sender-Mitarbeiter Ronny D.«.

Man muss nun wahrlich kein Recherche-Genie sein um schnell herauszufinden, dass es sich dabei um einen freien Mitarbeiter der Herstellungsleitung handelt. Eben jener ist auch Inhaber und Geschäftsführer des Medienberatungsunternehmens „Deutsche Medienberatung“ in Gotha. Unter den sechs angegebenen Referenzen finden sich bezeichnenderweise gleich zwei mal der KI.KA und einmal MDR, NDR und arte.

Unter dem Punkt „Vertrauen“ heißt es dort übrigens: »Wir sind ein verlässlicher Partner und kommunizieren offen und ehrlich. [..] Durch seriöse und professionelle Arbeit werden wir nachhaltig zu einem vertrauenswürdigen Partner für unsere Mandanten.« Nunja.

Der MDR gibt in einer Presseerklärung an, er »treibt weitere Aufklärung beim KI.KA voran«, allein es fehlt der Glaube. In einem TA-Kommentar meint Redakteur Martin Debes, dass der MDR »meist nur das zugibt, was nicht mehr dementierbar ist – um sich dann auch noch für seine Transparenz selbst zu belobigen.« Dieser Eindruck drängt sich geradezu auf.

So ist auch dieses Statement des MDR-Unternehmenssprechers bezeichnend: »Auf die konkrete Nachfrage unserer Zeitung, ob auch Ronny D. entlassen worden sei, wollte sich Thärichen „mit Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen“ nicht äußern.«
Wie eine simple Information, ob der betreffende freie Mitarbeiter weiterbeschäftigt wird oder nicht, die laufenden Ermittlungen beeinflussen könnte, will sich mir nicht erschliessen.

Auf jeden Fall freue ich mich einerseits, dass wenigstens in der TA endlich einmal Klartext geschrieben wird. Andererseits bin ich erschrocken, dass sich angeblich noch weitere KI.KA-Mitarbeiter bereichert haben sollen. Bisher ging ich (wohl naiver Weise) davon aus, dass es „nur“ Mitwisser gab, welche die Scheinrechnungen des bereits Verurteilten leichtfertig abzeichneten. Inzwischen stellt sich die Sache so dar, dass man tatsächlich von einem „Betrug als System“ sprechen kann. Der Imageschaden für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist bereits jetzt enorm. Es steht zu befürchten, es wird alles noch viel schlimmer.

 
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Verfasst von - 2011/07/08 in Kinderkanal, Medien

 

Nachbetrachtung zum ersten KI.KA-Prozess

Gestern wurde das Urteil im ersten KI.KA-Prozess gesprochen (siehe hier und hier), weitere werden mit hoher Wahrscheinlichkeit folgen.

Recht gute Zusammenfassungen des Urteils bzw. des ganzen Prozesses gibt es u. a. in der Thüringer Allgemeinen hier und hier, in der Frankfurter Rundschau und beim MDR.

Vor Beginn des letzten Prozesstages gab der Angeklagte ein notarielles Schuldanerkenntnis über 6,7 Mio. € gegenüber mehreren Rundfunkanstalten ab. Dabei verzichtete er auf sämtliche noch vorhandenen Vermögenswerte. Dies dürfte jedoch kaum für eine spürbare Begleichung dieser Schuld genügen.

Was in der Berichterstattung teilweise unterging, war die Frage der vorgeworfenen Straftaten: Während sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung beim Vorwurf der Untreue relativ einig waren, divergierten die Ansichten beim Straftatbestand der Bestechlichkeit. Der Bestechlichkeit können sich nur Amtsträger schuldig machen, daher war die Frage der Amtsträgerschaft eines Herstellungsleiters beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk von wesentlicher Bedeutung. Während die Staatsanwaltschaft dies bejahte, wurde von der Verteidigung als Gegenargument angeführt, dass kein Einfluss auf die Programmgestaltung vorlag. Das Gericht folgte dem Staatsanwalt, da bereits mit Jürgen Emig ein Redaktionsleiter im öff.-re. Rundfunk als Amtsträger vom BGH bestätigt wurde, auch wurden schon leitende Mitarbeiter der GEZ als solche verurteilt. Für das Gericht begründet eine leitende Funktion im gebührenfinanzierten öff.-re. Rundfunk eine Amtsträgerschaft. Somit erfolgte auch eine Verurteilung wegen Bestechlichkeit.

Strafmildernd wurden die pathologische Spielsucht, die Geständigkeit und gezeigte Reue, die verlorene wirtschaftliche Existenz, der Wille, Wiedergutmachung zu leisten sowie die Begünstigung durch vorgeworfenes Fehlverhalten des Erfurter Spielkasinos sowie mangelnde Kontrollinstanzen durch KI.KA- und MDR-Strukturen gewertet.
Strafverschärfend wurden der erhebliche Schaden, die langjährig verübten Straftaten, der Missbrauch von untergebenen Mitarbeitern und die massive Schädigung des Ansehens aller öff.-re. Rundfunkanstalten gewertet. Die Straftaten erfolgten fortgesetzt, in besonders schwerem Fall sowie gewerbsmäßig.

Die Verteidigerin erhob schwere Vorwürfe gegen den Kasinobetreiber wegen möglicher Verstöße gegen das Spielbankgesetz und den Glücksspielstaatsvertrag; sowie gegen die KI.KA-Programmgeschäftsführer und den MDR, da eine Kontrolle faktisch nicht vorhanden war.

In der Urteilsbegründung gab der vorsitzende Richter an, es bliebe offen, ob Dritte an den Straftaten beteiligt waren. Seiner Meinung nach können die Taten innerhalb des KI.KA nicht unbemerkt geblieben sein, das Wegsehen sei für ihn nicht nachvollziehbar. Auch die Tatsache, dass als Zeugen geladene KI.KA-Mitarbeiter zahlreich von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machten, fand er bemerkenswert. Dennoch sei der Angeklagte im Kern für seine Taten selbst verantwortlich, außerdem hat er selbst die zum Betrug begünstigenden Strukturen mit aufgebaut. Die eingeschränkte Steuerungsfähigkeit durch seine Spielsucht hält das Gericht für glaubhaft.

Für mich persönlich bleibt zumindest der Zweifel, ob die sicher tatsächlich vorhandene Spielsucht schon von Beginn an für die Taten verantwortlich gemacht werden kann, oder ob sie sich nicht vielmehr erst im Laufe der Zeit entwickelte. Zum einen nahmen laut Zeugenaussagen Häufigkeit und Einsätze vor allem im letzten Jahr immer mehr zu. Zum anderen begannen nach den vorliegenden Erkenntnissen die (inzwischen teilweise verjährten) Straftaten bereits mindestens im Jahre 2002, das Erfurter Spielkasino öffnete jedoch erst im Dezember 2005 seine Pforten. Außerdem wurde ein gehobener Lebensstandard mit zwei Wohnungen, häufigen Reisen sowie Veranstaltungsbesuchen mit VIP-Karten angeführt.

Im KI.KA »konzentrieren wir uns jetzt wieder auf unsere eigentliche Aufgabe: qualitativ hochwertiges Programm für Kinder zu entwickeln und anzubieten«, so Programmgeschäftsführer Kottkamp. Dies erscheint mir zwar sehr sinnvoll, in dieser Konsequenz jedoch auch noch etwas verfrüht. Meiner Ansicht nach ist die Aufarbeitung des ganzen Skandals noch lange nicht abgeschlossen. Personelle Konsequenzen wurden nach meinem Dafürhalten im KI.KA erst sehr spät und bisher noch recht halbherzig gezogen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach Verlautbarungen noch gegen 4 weitere KI.KA-Mitarbeiter sowie 7 Personen aus beteiligten Unternehmen.

Daraus könnten nach aktuellem Stand noch 12 (!) weitere Strafprozesse folgen, sowohl gegen den gestern bereits Verurteilten, als auch gegen ehemalige Kollegen und Geschäftspartner.

 
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Verfasst von - 2011/07/06 in Kinderkanal, Medien

 

Rätselraten um Wiki-Watch-Finanzierung

In der letzten Zeit ist die Arbeitsstelle im Studien- und Forschungsschwerpunkt „Medienrecht“ der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) ordentlich ins Gerede gekommen. Eine interne Wikipedia-Untersuchung ergab Auffälligkeiten im Editierverhalten von Benutzeraccounts, welche diesem Projekt zugeordnet wurden. Dieses Ergebnis animierte mich zu einem Blogbeitrag, welcher die Frage nach der Finanzierung dieses wohl nicht ganz so neutralen Projekts stellte. Infolge an mich und andere Online-Anbieter, welche auf meinen Blogbeitrag hinwiesen, verschickter Unterlassungserklärungen durch einen der beiden Leiter des Projekts wurde ein Redakteur auf die Angelegenheit aufmerksam und stellte intensivere Recherchen an.

Ergebnis ist ein Artikel in der Print-Ausgabe der FAZ vom 2.7.2011, einen Tag vorab veröffentlicht im Onlineangebot der FAZ. Dieser Artikel wurde jedoch bereits nach einem Tag wieder entfernt: »nehmen wir aus presserechtlichen Gründen bis auf weiteres von unserer Homepage«.

Bleibt für mich die Frage, wie sich dieses universitäre Forschungsprojekt nun tatsächlich finanziert. Auf meine Anfrage bei der Pressestelle der Universität erhielt ich folgende Auskunft: »Besonderheit des Studien- und Forschungsschwerpunkts Medienrecht ist, daß er seit seiner Gründung ausschließlich drittmittelfinanziert ist, zu seiner Finanzierung also keine Etatmittel der Universität verwendet werden.«

Man mag mein Erstaunen verstehen, als ich dann heute auf Meedia dieses lesen durfte: »Ein dritter Vorwurf, der laut Weberling falsch ist, ist die Behauptung von Wittkewitz, dass Wiki-Watch keine Angaben über Drittfinanzierungen machen würde. „Das stimmt schon deshalb nicht, weil Wiki-Watch bisher keine Drittmittel bekommen hat.“«

Ja, wie finanziert sich denn dieses Projekt nun? Ausschließlich durch Drittmittel, von denen noch nie welche erhalten wurden? Die Wahrheit ist wohl irgendwo da draußen…

 
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Verfasst von - 2011/07/04 in Wikimedia

 

Gentest statt „heißer Spur“

Was macht die deutsche Polizei, wenn sie nicht mehr weiter weiß? Sie sammelt massenweise Handydaten und DNS-Proben ein. So tragisch ein Fall wie die aktuelle Tötung in Zella-Mehlis auch ist: Solche Tragödien werden immer wieder dafür mißbraucht, den Rechtsstaat auszuhebeln.

Was passiert momentan? Laut MDR und Thüringer Allgemeine wurden Anwohner um eine freiwillige Abgabe einer Speichelprobe zwecks DNS-Abgleich gebeten.

Natürlich fällt es da schwer, dagegen zu protestieren. Schließlich wäre man zum einen sofort verdächtig, zum anderen würde man sich den Zorn der wütenden Masse zuziehen. Keine freiwillige DNS-Abgabe? Dann muss es ein Krimineller sein, oder jemand, der etwas zu verbergen hat. Gegen Internetsperren? Das muss ein Kinderschänder sein, oder zumindest ein Sympathisant.
Gerade bei solch medienwirksamen Fällen fällt es schwer, seine freiheitlichen Grundrechte in Anspruch zu nehmen. Schließlich wird man nicht gern als „Aufklärungsverhinderer“ hingestellt, und wenn der von BLÖD und Konsorten aufgehetzte Mob erst einmal Zeter und Mordio schreit, überlegt man sich schnell, ob man nicht doch lieber „freiwillig“ seine Speichelprobe abgibt.
Was eine Verweigerung für Konsequenzen haben wird, kann man im Law-Blog nachlesen. So oder so – entweder man gibt seine Rechte auf, oder man wird stigmatisiert.

Wenig überraschend ist dann noch die Aussage, dass mit diesem „freiwilligen“ Gentest ein möglicher Massengentest vereinfacht und unnötiger Doppelaufwand vermieden werden soll. Dieser wäre dann also nicht mehr freiwillig? Rechtsstaat, wo bist Du geblieben?

Natürlich wünsche ich mir, dass der Täter möglichst schnell ermittelt wird – aber nicht um jeden Preis! Die Polizei ist nicht dazu da, wenn sie „keine heiße Spur“ hat, die Ermittlungen durch Massenerhebungen persönlichster Daten zu ersetzen. Wie bin ich froh, nicht in der Nähe von Zella-Mehlis zu wohnen. Ansonsten hätte ich diesen Blogbeitrag vermutlich gar nicht erst geschrieben, da Anfeindungen geBILDeter Anwohner mit ziemlicher Sicherheit folgen würden.

 
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Verfasst von - 2011/07/01 in Dies und das