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Archiv für den Monat Juni 2011

Ki.Ka-Prozess Tag 3

Gestern hatte ich mir die Zeit genommen, den Prozess gegen den ehemaligen Herstellungsleiter des Kinderkanals von ARD und ZDF zu besuchen. (zum Hintergrund hier näheres)

Im Wesentlichen wurde durch Gutachter- und Zeugenaussagen festgestellt, dass der Angeklagte unter pathologischer Spielsucht leidet und dass mehrere Ki.Ka-Mitarbeiter über seine häufigen Kasino-Besuche, bei denen zwischen 5.000 € und 40.000 € pro Monat verspielt wurden sein sollen, bereits seit 2007 informiert waren.

Als eine Konsequenz prüft auch inzwischen das Thüringer Innenministerium, ob die Betreiber des Erfurter Spielkasinos gegen das Glücksspielgesetz verstoßen haben könnten.

Ein zentraler Punkt des Prozesstages war die Zeugenaussage eines Mitarbeiters der Revision beim ZDF, welches gemeinsam mit dem MDR seit Dezember die Vorfälle prüfte. Neben deutlicher Kritik an der Mißachtung von Vorschriften bezüglich der Zeichnungsberechtigung beim Ki.Ka direkt erfolgte auch massive Kritik an den Verantwortlichen beim federführenden MDR in Leipzig. Leider ist davon im ansonsten sehr gut geschriebenen Beitrag im Online-Angebot von MDR-Thüringen nichts zu lesen. Schade, dass der MDR hier nicht den Mut besitzt, auch die Probleme im eigenen Sender anzusprechen.

So konnte einer der Staatsanwälte nach eigenem Bekunden nur fassungslos mit dem Kopf schütteln, wie lax die Richtlinie zur Unterschriftsberechtigung im MDR interpretiert wurde. Nach Aussage des ZDF-Revisors haben MDR-Mitarbeiter der oberen Leitungsebene festgelegt, dass ein Vier-Augen-Prinzip ausreicht, und die betragsmäßige Begrenzung der Zeichnungsberechtigung nicht so wichtig genommen wird. So konnte der Angeklagte, obwohl er nur bis 50.000 € zeichnungsberechtigt war, problemlos Rechnungen bis zu 250.000 € anweisen, welche vom MDR in Leipzig auch ohne Rückfragen überwiesen wurden. Die Frage des Staatsanwaltes, wozu die Zeichnungsberechtigung dann überhaupt betragsmäßig begrenzt wurde, wenn dies in der Praxis keine Rolle spielt, blieb unbeantwortet. Wie auch im Revisionsbericht (S. 58) vermerkt ist, hätten nahezu alle Scheinrechnungen als „nicht rechtsgültig angewiesen“ vom MDR zurückgewiesen werden müssen. In der Realität wurden sie jedoch ohne Rückfrage bezahlt. Eine eigentlich zur Finanzaufsicht vorgesehene Controlling-Stelle in Leipzig wurde offenbar ohne Begründung bereits vor Jahren wieder abgeschafft, so dass sich der Angeklagte laut Aussage des Revisors praktisch selbst kontrollierte.

Am Ende der Sitzung wurden die Beweismittel verlesen. Hierbei handelte es sich im Wesentlichen um Aufträge und Rechnungen, die in Verbindung mit nicht erbrachten Dienstleistungen der Berliner Kopp-Film GmbH stehen. Hier war ich es, der teilweise fassungslos die verlesenen Rechnungen zur Kenntnis nahm. Allein für Umschnitte der Reihe Bravo Bernd wurden zahlreiche Rechnungen bis zu jeweils 250.000 € verbucht. Aufgrund der Häufigkeit des Vorkommens empfahl der vorsitzende Richter scherzhaft, man solle Bernd als Zeugen vorladen.

Bernd das Brot
Ist völlig unschuldig und wurde für Scheinrechnungen missbraucht.

Man lasse sich das auf der Zunge zergehen: Nur für Umschnitte einer Serie mit etwa fünfminütigen Folgen wurden Rechnungen in einer Gesamtsumme von mehr als 1 Mio. € angewiesen. Für diese Summe hätte man die komplette Reihe wohl mehrfach neu produzieren können.

Ausgehend davon, dass ein Tag am Avid inkl. Personal etwa 600 € kostet, wurden hier also weit mehr als 1.600 Arbeitstage berechnet, das sind – so man Sonn- und Feiertage durcharbeitet – über 4 Jahre Schnittleistungen!
Selbst bei den mehrfach vorkommenden Einzelrechnungen von bis zu 250.000 €, berechnet jeweils für Zeiträume von 2-4 Monaten, sind dies 416 Arbeitstage! Wie diese überhaupt innerhalb von 4 Monaten erbracht worden sein könnten, ist mir ein Rätsel. Jeder, der auch nur ab und an Rechnungen aus solchen Produktionsdienstleistungen sieht, hätte meiner Meinung nach merken müssen, dass die Rechnungen völlig überhöht sind und den angegebenen Leistungen – so sie denn tatsächlich erbracht worden wären – nicht im geringsten entsprechen können.

Hier wurden also nicht nur knapp 100 Scheinrechnungen bezahlt, für die keinerlei Gegenleistung existiert, sondern die Rechnungen waren bezüglich des Leistungs-Kosten-Verhältnisses nach meinem Dafürhalten auch völlig absurd. Während die Rechnungen aus den ersten Jahren noch recht detailliert die erfundenen Leistungen auflisten, gab man sich im Jahr 2010 schon gar keine Mühe mehr. So wurde zur Erheiterung des Gerichts gar eine Rechnung für „Herstellungsleitung“ gestellt.

Alles in allem ist mir nach wie vor völlig unverständlich, wie über einen derart langen Zeitraum niemanden auch nur eine einzige dieser abstrusen Rechnungen auffallen konnte – sowohl beim Ki.Ka als auch beim MDR in Leipzig.

 
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Verfasst von - 2011/06/24 in Kinderkanal, Medien

 

Steuerfinanzierte Wikipedia-Beeinflussung?

Über ein halbes Jahr wurde recherchiert, ausgewertet und formuliert – nun gibt es ein Ergebnis. Das Fazit ist teilweise wie erwartet, deckt aber andererseits einen pikanten Zusammenhang auf: Das Projekt „Wiki-Watch“ der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder ist an einem langanhaltenden Kampf um Inhalte in der Enzyklopädie Wikipedia beteiligt.

Operationsgebiet der gezielten Beeinflussung sind Wikipedia-Artikel aus den Themenbereichen Homosexualität und Religion sowie Evangelikalismus. Dieser Themenbereich zählt seit Jahren zu einem hart umstrittenen Konfliktfeld.
Bekannt war bisher, dass ein Nutzer unter Zuhilfenahme mehrerer Accounts vehement versucht, seine verquere Sichtweise in die Artikel einzubringen und dabei das Wikipedia-Prinzip des „neutralen Standpunktes“ missachtet. Die Folge waren häufige und unschöne Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Nutzern, welche die Aufmerksamkeit vieler Aktiver bindet und die normale Arbeit am Projekt massiv stört.

Wie sich nun herausstellte, ist der Nutzeraccount des universitären Forschungsprojektes „Wiki-Watch“ nicht nur beteiligt, sondern nach aller Erkenntnis mit dem Problemnutzer sogar identisch. Betrieben wird „Wiki-Watch“ dem Impressum zufolge von der Juristischen Fakultät der Europa-Universität:

Die Arbeitsstelle Wiki-Watch im „Studien- und Forschungsschwerpunkt Medienrecht“ der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina wird geleitet von Prof. Dr. Johannes Weberling und Prof. Dr. Wolfgang Stock.

Wolfgang Stock ist Vorstandsmitglied des Christlichen Medienverbundes KEP und war Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft, das Menschen dabei helfen will „ihre Homosexualität durch Therapie zu überwinden“.

Es ist schon mehr als erstaunlich, dass Universitätsmitarbeiter offenbar ihre Stellung und ihre Arbeitszeit – sowie sicher vermutlich auch Steuermittel aus dem Uni-Haushalt – dazu benutzen, ihre merkwürdigen Vorstellungen von Homosexualität und Kirche in die wohl bekannteste Online-Enzyklopädie hineinzutragen.
Auf eine Stellungnahme der beteiligten Projektverantwortlichen sowie der Universität als dessen Träger bin ich jedenfalls sehr gespannt.

Nachtrag:
Herr Prof. Dr. Stock ist inzwischen nicht mehr als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft aufgeführt. Zum Erstellungszeitpunkt war dies jedoch noch der Fall. (Screenshot der Webseite vorhanden; es ist daher nicht nötig, mir Unterlassungserklärungen zuzusenden)
Im letzten Absatz habe ich das Wort „sicher“ nicht als Adjektiv sondern adverbial benutzt, in der Bedeutung von „höchstwahrscheinlich, vermutlich“ (siehe aktueller Duden Bedeutung 2a). Um Missverständnisse zu vermeiden, habe ich dies nun präzisiert.

 
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Verfasst von - 2011/06/20 in Wikimedia

 

Jetzt bloggt er auch noch…!

Ich gestehe: Früher ™ empfand ich Blogs als eine Seuche. Nun hat sich das Verständnis des Wortes Blog in den letzten Jahren grundlegend geändert, es ist eine ernstzunehmende Blogosphäre entstanden. Bezeichnete noch vor einigen Jahren ein Blog in aller Regel ein tatsächlich öffentlich im Web geführtes Tagebuch mit privaten Befindlichkeiten, die eigentlich niemanden interessieren, findet man heute darunter auch Fach- und Wissenschaftsblogs. Unwichtige „Statusmeldungen“ wie den letzten Friseurbesuch und ein Foto vom Carpaccio des vergangenen Abends findet man nun eher bei Facebook oder Twitter.

Nun werde ich hier sicherlich keine wissenschaftlichen oder hochgeistigen Abhandlungen verfassen. Aber vielleicht gelingt es mir ja, einige bisher noch nicht so recht verarbeitete Gedanken in essayistischer oder kolumnistischer Form in Bildpunkte zu bringen. 😉 Wenn es dann der eine oder die andere interessant findet, um so besser.

Vielen Dank an Southgeist für die Gelegenheit, mich erst einmal sechs Wochen lang als Gastblogger auf Iberty zu betätigen. Ich muss gestehen: Ich wurde erfolgreich angefixt. Die tragische Konsequenz der Aktion ist also ein weiteres Blog, das eigentlich niemand braucht. Meine Beiträge dort habe ich hier ebenfalls eingestellt, um nicht mit einem völlig leeren Blog beginnen zu müssen.

Ich bin selbst gespannt, wie sich das entwickelt, und ob es eine dauerhafte und regelmäßige Betätigung wird, oder ob es wieder einschläft.

 
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Verfasst von - 2011/06/15 in Dies und das

 

Der E-Postbrief der Deutschen Post

Man soll ja nicht immer nur meckern, daher nun auch mal wieder etwas positives. 🙂

Es gibt leider noch immer zahlreiche Unternehmen oder Behörden, die mit Kundenkontakten via E-Mail irgendwie noch nicht allzuviel anfangen können und auf papiergetragene Kommunikation oder eine Unterschrift bestehen. Meist sende ich in solchen Fällen ein Fax. Dank Telefonflatrate ist das kostenlos, und ob meine Unterschrift gescannt und das ganze als Computerfax verschickt oder aber tatsächlich als altmodisches Papierfax versendet wurde, kann der Empfänger in der Regel nicht so schnell erkennen.

Nun gibt es Spezialisten, die noch nicht einmal eine Faxnummer angeben. Normalerweise bleibt in solchen Fällen nur das Telefon (ungünstig da abstreitbar) oder aber der klassische Brief. Allerdings existiert inzwischen auch eine günstige Alternative.

Vor einiger Zeit habe ich mich beim E-Postbrief angemeldet. Nach dem ganzen Prozedere wie Anmeldung, Postident-Verfahren, nochmalige Eingabe eines zugesandten Codes zur Adressverifikation war sich der gelbe Riese dann wohl ausreichend sicher, es tatsächlich mit mir zu tun zu haben.

Als ich also neulich mal wieder eine Kündigung losschicken wollte, probierte ich dieses Tool einfach aus: Online losgeschrieben, auf Senden geklickt, Meldung über fehlendes Guthaben erhalten. Genau, da war ja noch was. Die Aufladung funktionierte problemlos per Kreditkarte, ich wollte schon immer mal einen Centbetrag mit Mastercard bezahlen. 🙂 Aus mir unerfindlichen Gründen musste ich statt dem normalen Porto von 55 ct mindestens stolze 56 ct einzahlen. Jetzt habe ich 1 ct Guthaben bei der Post. Auch prima, die zinslose Geldanlage in dieser Höhe kann ich gerade noch so verkraften. Danach nochmal auf Senden geklickt, dann das Senden nochmal bestätigt, dann war der Brief weg. Die papierhaltige Zustellung erfolgt angeblich innerhalb von 2 Werktagen. Ich habe den Brief jetzt als pdf im Portal und kann ihn auch runterladen.

Vor allem letzterer Punkt begeistert mich: Sollte ich einmal in Beweislast geraten, lässt sich dies prima vorweisen. Im Gegensatz zu Einschreibe-Sendungen ist hier sogar der Inhalt auf dem Postserver nachvollziehbar gespeichert. Nur über den Punkt „Datenschutz“ habe ich beschlossen nicht intensiver nachzudenken. Theoretisch kann „die Post“ meine Briefe lesen.

Fazit: Tolle Sache. Blatt Papier, Umschlag, Druckertinte, Weg zum Briefkasten gespart. Außerdem habe ich einen Sendenachweis, den ich bei einem selbst eingeworfenen Papierbrief nicht hätte. Ich bin zufrieden.

 
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Verfasst von - 2011/06/15 in Dies und das

 

Frauenfußball und die Medien

Die deutschen U19-Frauen sind Europameister! Seit Samstag!

Die Nachricht dürfte gleichermaßen überraschen und auch wieder nicht. Nicht überraschend ist das Ergebnis (übrigens ein 8:1-Sieg im Finale gegen Norwegen) aus sportlicher Sicht: Die deutschen Fußballdamen sind ja bekanntlich sehr erfolgreich. Überraschen dürfte hingegen die meisten Menschen die Tatsache, dass diese EM überhaupt stattfand.

Am Pfingstwochenende war ich internetlos. An sich ist das nicht weiter tragisch, und es hat mir gezeigt, dass sich meine Abhängigkeit noch im vertretbaren Rahmen bewegen dürfte. Allerdings wollte ich am Samstag Abend das Ergebnis des Finalspiels in Erfahrung bringen. Allein – es ist mir nicht gelungen.

In den Nachrichten wurde der Titelgewinn (zumindest für mich wahrnehmbar) nicht einmal erwähnt. Also ein Blick in den guten alten Videotext geworfen: Das Erste (vulgo: ARD) hat Tabellen zu allen möglichen und unmöglichen Männer-Ligen im In- und Ausland. Selbst „Exoten“ wie Rumänien und Kroatien werden gewürdigt. Die Frauen-WM im eigenen Land wird zumindest auch erwähnt, es gibt auch eine (!) Seite zur 1. Bundesliga der Frauen. Jedoch keine Meldung zum Titelgewinn der deutschen U19-Damen.
Das 2DF schießt den Vogel komplett ab: Es gibt insgesamt 2 Seiten zu den Damen. Die 1. BL und der DFB-Pokal dürfen sich sogar eine Seite teilen (3 Unterseiten im Wechsel).

Also in die Sportsender geschaut. Eurosport: Ausführliche und zahlreiche Seiten zur U21-EM und zur U17-WM. Der Männer versteht sich. Der Europameistertitel der Frauen wird nicht erwähnt. Letzte Hoffnung DSF Sport1: Das gleiche in bunt. Jede Menge internationaler Männer-Ligen, 2 Seiten zur 1. BL der Frauen, die Frauen-WM. Sonst nix. Keine Titelerwähnung.
So langsam beginne ich zu verstehen, warum es so viele Feministinnen gibt. Diese Ignoranz kotzt selbst mich als Mann an.

Also: Herzlichen Glückwunsch an unsere Fußball-Juniorinnen zum Titelgewinn! Für den Nachwuchs wäre also gesorgt.
An die Medien: Schämt Euch!

Originalpost und Kommentare: Iberty

 
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Verfasst von - 2011/06/14 in Medien